Seit meiner Jugend, als ich zum ersten Mal vom Holocaust hörte, beschäftigt mich diese Frage: "Wie können Christen und Juden mit ihrem jeweiligen Gottesbild vereinbaren, dass Gott diese schrecklichen Vorkommnisse zugelassen hat?".
Diese Frage ergab sich wohlgemerkt unter der Prämisse, dass man sich einen interventionistischen Gott vorstellt, der - wie in der Bibel beschrieben - in Menschenschicksale eingreift.
Nun habe ich im Anhang zu Sumaya Farhat-NasersBuch "Disteln im Weinberg" immerhin die Antwort, die hochrangige Rabbiner auf diese Frage haben, gefunden.
Dort steht ein Essay des 80-jährigen Juden Ernest Goldberger (er lebt seit 20 Jahren in Israel). Er zitiert den Rabbi Menachem Schneerson, den 1994 verstorbenen Führer der Lubawitscher Chabad-Sekte. Demnach ist der Holocaust eine von Gott gewollte Strafe, um das Judentum von Sünde zu reinigen. Ähnlich sagt es auch das geistige Oberhaupt der sephardischen Orthodoxie in Israel, Rabbi Ovadia Josef. Der frühere sephardische Oberrabbiner Israels, Mordechai Eliyahu, deutete den Holocaust als Strafe Gottes wegen des Aufkommens der jüdischen Reformbewegung in Deutschland, (Kommentar von Goldberger: ...womit er Hitler und Eichmann zu Vollstreckern eines göttlichen Willens erhob).
Mich hat diese rabbinisch-rabulistische Argumentation von Schneerson-Josef-Eliyahu echt vom Hocker gehauen. Wenn man das folgerichtig zu Ende denkt, sind die Deutschen gar nicht Schuld am Holocaust und können von Israel die Wiedergutmachung zurückfordern!
Da ich letzte Woche 12 Israelis zu Besuch in Bad Oldesloe hatte, habe ich einen religiösen Juden (Mitglied der Schas-Partei, 2006 hatten sie 9,5 % der Wählerstimmen bekommen) danach gefragt, wie er das sieht. Er bestätigte Goldbergers Bericht. Auf meine Frage, ob wir Deutschen dann nicht schuldlos seien, denn wir wären ja nur ein Werkzeug Gottes gewesen, meinte er: "Gott suchte sich ein Volk aus, dass die Juden bestraft, und da diese damit dann Böses getan hätten, bestrafte er anschließend die Deutschen".
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2 days ago